Voller Körpereinsatz: Die kroatische Defensive um den Herthaner Simunic (re.) ließ Kazim & Co. kaum Entfaltungsmöglichkeiten. dpa
Nach dem 1:0-Sieg gegen Polen am letzten Vorrunden-Spieltag vertraute Kroatiens Coach Slaven Bilic wieder seiner Stammelf und ließ die Mannschaft auflaufen, die in der Vorrunde Deutschland mit 2:1 besiegt hatte. So kehrten Pletikosa, Corluka, Simunic, die Brüder Robert und Niko Kovac sowie Srna, Modric, Kranjcar und Olic in die Startelf zurück. Dafür blieben Runje, Simic, Vejic, Vukojevic, Pokrivac, Leko, Klasnic und Petric draußen. Zudem konnte Innenverteidiger Knezevic, für den das Turnier wegen einer schweren Bänderdehnung bereits zu Ende ist, nicht mitwirken.
Auf der anderen Seite musste der türkische Trainer, Fatih Terim, im Vergleich zum dramatischen 3:2 gegen die Tschechen gleich mehrmals wechseln. So kehrte für den rotgesperrten Keeper Volkan Altstar Rüstü ins Tor zurück, und für Mehmet Aurelio (Gelb) rutschte Sabri in die Anfangself. Zudem fehlten die beiden Innenverteidiger Emre Güngör (Wadenverletzung) und Servet (Bänderdehnung im linken Knie). Sie wurden von Gökhan Zan und Emre Asik vertreten. Darüber hinaus verlor Semih seinen Stammplatz an Kazim.
Doch diese neu formierte türkische Mannschaft ließ sich zunächst von den vielen Ausfällen nicht beirren und machte dort weiter, wo sie in der Vorrunde aufgehört hatte. Mit Offensivfußball. Durch schnelles und direktes Flügelspiel wurden die Kroaten in der eigenen Hälfte gebunden. Doch bis auf einen 20-Meter-Schuss von Altintop, der links vorbeiging, stand die Defensive der Feurigen sicher (5.).
EURO 2008
Auf der anderen Seite lauerte die Bilic-Elf auf Konter, konnte diese aber nicht in Tore umsetzen. So rettete Hakan nach sechs Minuten gegen den einschussbereiten Olic. Der Hamburger stand in der 19. Minute erneut im Mittelpunkt des Geschehens: Srna hatte auf Modric gespielt, der dann mit viel Übersicht auf Olic quer legte. Doch der 28-Jährige traf aus bester Position nur die Latte und vergab die bis dato beste Chance des Spiels.
Kroatien wurde nun stärker und gestaltete das Duell ausgeglichener. Vor allem auf der linken Seite sorgte der WM-Dritte von 1998 für viel Betrieb, konnte sich zunächst jedoch keine weiteren Gelegenheiten erspielen. Die Türken indes konnten nicht mehr den Druck aus der Anfangsphase aufbauen und sorgten kaum noch für Gefahr. So entwickelte sich eine Begegnung ohne große Höhepunkte.
In der ersten Hälfte sorgten nur noch noch ein Zweikampf zwischen Simunic und Tuncay, bei dem der Akteur vom FC Middlesbrough im kroatischen Sechzehner zu Fall kam, für Gesprächsstoff (37.). Eine Minute später verfehlte Mehmet Topal mit einem satten Schuss aus rund 30 Metern das Tor um Zentimeter.
Ohne Wechsel, dafür mit einer Riesenchance für Kroatien ging es dann weiter: Nach einer verunglückten Kopfballrückgabe zögerte Rüstu zu lange, Olic eilte herbei und köpfte das Leder aus spitzem Winkel in Richtung Tor, doch er brachte nicht genügend Druck hinter den Ball, so dass Hakan auf der Linie klären konnte (50.). Kurz darauf war Rüstü aber wieder zur Stelle: Nach feinem Zusammenspiel zwischen Niko Kovac, Modric und Kranjcar scheiterte der 23-jährige Spieler vom FC Portsmouth von der Strafraumgrenze am türkischen Schlussmann (57.).
In der Folge verflachte das Niveau der Partie zunehmend. Beide Mannschaften waren immer mehr darauf bedacht, kein Gegentor zu kassieren und machten wenig nach vorne. Es dauerte bis zur 70. Minute, bis es wieder brenzlig wurde: Nach Doppelpass mit Olic tauchte Rakitic vor Rüstü auf, doch der Schalker jagte das Leder unter Bedrängnis weit drüber. Drei Minuten danach köpfte Olic aus guter Position gut einen Meter rechts vorbei.
Die Bilic-Elf tat nun mehr fürs Spiel, konnte sich aber weiterhin nicht entscheidend gegen inzwischen ausschließlich auf Defensive ausgerichtete Türken durchsetzen. Erst in der Schlussphase prüfte Srna per Freistoß Rüstü, der den Ball aus dem langen Eck fischte (84.). In der Schlussminute rettete der Torhüter von Besiktas Istanbul gegen Modric, der es aus vier Metern probiert hatte, und brachte die Terim-Truppe somit in die Verlängerung.
In diese kamen die Türken, die im gesamten zweiten Durchgang keinen Torschuss zu Stande brachten, besser rein. Zuerst probierte es Tuncay nach schönem Solo aus spitzem Winkel, scheiterte dann aber an der Reaktion des kroatischen Keepers Pletikosa (95.). Danach verfehlte Semih das Tor mit einem Schuss aus 16 Metern nur knapp (101.), und nur zwei Minuten später probierte es Tuncay erneut. Sein Fernschuss aus zentraler Position segelte jedoch um Haaresbreite am linken Pfosten vorbei.
Kroatien indes wirkte nun müde und konnte kaum noch Akzente setzen. Die Türkei verpasste es aber, hieraus Kapital zu schlagen. In der 119. Minute sah alles nach Elfmeterschießen aus, doch Modric nutzte einen Fehler von Rüstü, um auf Klasnic zu passen, der sich bedankte und zum 1:0 köpfte. Doch die Türkei schlug postwendend zurück. Ein weiter Abschlag von Rüstü landete im Strafraum bei Semih, der Pletikosa keine Chance ließ und somit musste die Entscheidung dann doch im Elfmeterschießen herbeigeführt werden.
Aluminium: Kroatiens Olic (li.) überwand zwar Keeper Rüstü, aber nicht die Latte. dpa
In diesem zeigten vor allem die kroatischen Jungstars Nerven. Zuerst schoss Modric rechts vorbei, Rakitic jagte den Ball neben den linken Pfosten und Rüstü parierte letztlich gegen Petric.
Am kommenden Mittwoch trifft der WM-Dritte von 2002 im Halbfinale auf Deutschland und könnte dann mit einem Sieg den größten Erfolg in seiner Fußballhistorie perfekt machen. Allerdings muss Trainer Fatih Terim dann auf Tuncay, Arda und Emre Asik verzichten, die allesamt gegen Kroatien die zweite Gelbe Karte sahen. Mehmet Aurelios Gelbsperre läuft hingegen ab.